Die Erkenntnistheorie, ein der wichtigen Gebiete der modernen philosophischen Forschungen, ist in ihrem innersten Wesen eine Wissenschaftstheorie; oder anders formuliert, hat die Wissenschaftstheorie im Verlauf der Geschichte der modernen Erkenntnistheorie stets eine bezeichnende Rolle gespielt.
Diese Sachlage kommt offensichtlich von den wunderbaren Fortschritten der modernen Naturwissenschaften. Wegen dieser Fortschritte betrachteten viele Erkenntnistheoretiker die wissenschaftliche Erkenntnis als das höchste Paradigma aller menschlichen Erkenntnisse. Wittgenstein hat z.B. deklariert: "Die Gesamtheit der wahren Sätze ist die gesamte Naturwissenschaft (oder die Gesamtheit der Naturwissenschaften)."1
Wenn auch die modernen Naturwissenschaften sich wunderbar entwickelt haben, bedeutet doch diese Entwicklung philosophisch keinswegs, daß die wissenschaftliche Erkenntnis gewiß oder zuverlässig sein muß. Es ist vielmehr eine geschichtliche Tatsache, daß seit dem Anfang der modernen Wissenschaftstheorie jeder Theoretiker sich immer mit den hinter der Grundlage der wissenschaftlichen Erkenntnis steckenden verwirrenden Problemen beschäftigt hat. Ein dieser Probleme ist nun das Induktionsproblem.
Popper formuliert das Induktionsproblem folgendermaßen:
Wir können immer nur bestimmte Ereignisse beobachten und immer nur eine beschränkte Anzahl von Ereignissen. Dennoch stellen die empirischen Wissenschaften allgemeine Sätze auf, zum Beispiel die Naturgesetze; Sätze also, die für eine unbeschränkte Anzahl von Ereignissen gelten sollen. Mit welchem Recht können solche Sätze aufgestellt werden? Was meint man eigentlich mit diesen Sätzen? Diese Fragen deuten die Umrisse des Induktionsproblems an: Als "Induktionsproblem" wird hier die Frage nach der Geltung oder nach der Begründung der allgemeinen Sätze der empirischen Wissenschaften bezeichnet. In anderer Ausdruckweise: Können Wirklichkeitsaussagen, die sich auf Erfahrung gründen, allgemeingültig sein?2In bezug auf die Grundlegung der wissenschaftlichen Erkenntnis steht das Induktionsproblem gerade im Brennpunkt der modernen Wissenschaftstheorie, denn seit Bacon ist die Induktion für eine einzige Methode der Wissenschaft gehalten. Und zwar liegt es nahe, daß die Wissenschaftstheorie selbst sich um das Induktionsproblem im weitesten Sinne entwickelt hat. Um einige der grundlegenden Eigenschaften des Induktionsproblems einzuleuchten, wollen wir hier, seinen Ursprung und Hintergrund untersuchen.
Ursprünglich trat das Induktionsproblem im Rahmen des klassischen Empirismus auf und hing mit seiner Auffassung der menschlichen Erkenntnis zusammen, wo die Induktion eine zentrale Rolle spielte. Der Erfahrungsbegriff, mit dem die Empiristen anfangen mußten, um die menschliche Erkenntnis theoretisch aufzubauen, bildet eine Grundlage der Induktion.
Gegen die scholastische Lehre, daß die nichtempirische Erkenntnis des Menschen auf den angeborenen Vorstellungen beruhe, stellte Locke eine neue Erkenntnistheorie und einen Erfahrungsbegriff fest. Es steht für ihn außer Zweifel, daß der menschliche Geist mancherlei Vorstellungen (ideas) enthält, weil man sich seines Denkens bewußt, das auf sie gerichtet ist. Man hat daher zunächst nach dem Ursprung der Vorstellungen zu forschen. Wie man zu ihnen gelangt? Woher erlangt der Geist alle Stoffe für Denken und Erkennen? Darauf antwortet Locke mit einem Wort: aus der Erfahrung. "In ihr ist unsere ganze Erkenntnis begründet, und aus ihr leitet sie schließlich sich selbst ab."3 Da es kein angeborenes Prinzip gibt, ist der menschliche Geist bei seinem ersten Auftreten für sogenanntes 'weißes Blatt' (tabula rasa) zu halten.
Durch diese Erläuterung des Ursprung aller Erkenntnisse legt Locke somit die Basis der empiristischen Erkenntnistheorie fest, die den Urtyp fast aller späteren empiristischen Auffassungen der Erkenntnis ausmacht. Er analysiert weiter die Quellen der Erkenntnis, d.h. 'Sinneswahrnehmung' und 'Selbstbeobachtung', woraus alle Vorstellungen entspringen. Nach ihm beginnt man nur dann irgendeine Vorstellung zu erwerben, wenn man irgendeine Sinneswahrnehmung hat; denn eine Vorstellung entsteht im Verstand gleichzeitig mit den Sinneswahrnehmungen; es scheint keine Vorstellung im Geist zu geben, bevor die Sinne sie darin bringen. Dabei muß der Verstand bloß passiv die Vorstellungen aufnehmen, weil die Gegenstände unserer Sinne unserem Geist besondere Vorstellungen aufdrängen, ob wir wollen oder nicht. Wirken die uns umgebenden Körper auf unsere Sinne, so wird der Geist die Eindrücke einzunehmen gezwungen und kann nicht die entstehenden Wahrnehmungen vermeiden.4
Locke begründet also das Prinzip des Empirismus: der Erfahrung, woraus die einfachen Vorstellungen entspringen, kann keine Erkenntnis vorhergehen. Aus diesen einfachen Vorstellungen werden nach ihm die komplexen Vorstellungen zusammengesetzt durch solche Funktionen des Verstandes wie 'Beibehaltung', 'Unterscheidung', 'Vergleichung', 'Komposition', 'Abstraktion', u.a.m. Und die komplexen Vorstellungen lassen sich noch in drei Sorten einteilen5: (1) 'Mode', die als Zustand jeder Sache betrachtet werden kann. (2) 'Substanz', die die Verbindung derjenigen einfachen Vorstellungen ist, die die an sich selbst subsistierende partikuläre Sache darstellt. (3) 'Relation', die in Vergleichung einer einfachen Vorstellung mit den anderen besteht. Da die komplexen Vorstellungen, welche das Wissen im Verstand bilden, ihrer Herkunft nach mit der äußeren Wirklichkeit nicht unmittelbar zu tun haben, gibt es nicht immer die ihnen entsprechenden Mode und Relation. Deshalb haben die aus den einfachen Vorstellungen bestehenden komplexen Vorstellungen der Mode und der Relation nicht immer die wirkliche Entsprechungen, während jede einfache Vorstellung einem äußeren Gegenstand entspricht--sie ist nämlich 'real'. Wenn aber diese komplexen Vorstellungen folgerichtig sind, dann auch sind sie real, und die Substanz ist nur dann wirklich, wenn sie der Existenz einer äußeren Substanz entspricht.6 Locke behauptet also: "Erkenntnis scheint mir nichts anderes als die Wahrnehmung der Verbindung und Übereinstimmung, oder der Unstimmigkeit und Widerspruchs einiger der unseren Vorstellungen zu sein."7
Die Lockesche Erkenntnistheorie wurde von Berkeley übernommen, dabei lehnte er Lockes Annahme der Existenz der Substanz ab. Dennoch stand es für ihn noch außer Zweifel, daß das Geistige als Substanz existiere. Hume trieb in bezug darauf das Prinzip des Empirismus noch weiter und dadurch erreichte seinen Endpunkt, wo das Induktionsproblem aufzutauchen war.
Im Gegensatz zu Locke nimmt Hume nur die 'Eindrücke' als Ursprung der 'Vorstellung' an: "alle unsere einfachen Vorstellungen bei ihrem ersten Auftreten leiten sich von einfachen Eindrücken, die ihnen entsprechen, und die sie genau wiedergeben."8 Die beiden Bewußtseinsinhalte unterscheiden sich durch den Grad ihrer Stärke und Lebhaftigkeit. Unter 'Eindrücke', die mit größer Heftigkeit auftreten, meint er alle unmittelbare Wahrnehmungen und Empfindungsinhalte wie Affekte oder Gefühlsregungen, und unter 'Vorstellungen' die schwachen Abbilder oder Nachbilder derselben in unserem Denken und Urteilen; die Vorstellungen sind also die mittelbaren, nachgebildeten Sinneswahrnehmungen, die die Stoffe unseres Wissens ausmachen. Dann bemerkt Hume über die komplexen Vorstellungen, daß sie durch die Verbindung der vom einfachen Eindruck her stammenden einfachen Vorstellungen entstehen. Dabei wirken drei Gesetze der Verbindung bzw. Assoziation: 'Ähnlichkeit', 'zeitliche oder räumliche Berührung' und 'Ursache und Wirkung'.9
In der Auffassung Humes bilden verschiedene Verknüpfungen oder Beziehungen der einfachen und komplexen Vorstellungen als Stoffe das ganze Wissen. Sie bezeichnet er als die 'philosophischen Relationen': 'Ähnlichkeit', 'Identität', 'Raum und Zeit', 'Quantität', 'Grad der Qualität', 'Gegensatz' und 'Kausalität'10; darin besteht nach ihm der Umriß der menschlichen Erkenntnis.
In der Erkenntnistheorie des Empirismus ist der Vorgang von der Stufe der Wahrnehmung bis zur Bildung des Wissens ausführlich zergelegt. Allein weder Locke noch Hume haben genug erforscht, warum wir überhaupt die Erfahrung erreichen. Das heißt, war es noch kein Gegenstand der empiristischen Forschung, sondern ihre ehrwürdige Voraussetzung, daß die Erfahrung uns schon gegeben ist und somit wir sie nur passiv empfangen; was nicht in der Erfahrung vorhanden ist, das auch in unserem Geist nicht vorhanden ist. Um mit Lauener zu sprechen: "Erfahrung bedeutet also dem Empiristen nichts anderes als einen Komplex von Sinneseindrüchken, der im Erkenntnisprozeß durch die Einbildungskraft in Formen von Abbildern (Vorstellungen) auf mannigfaltige Art (vgl. Assoziationsgesetze und Relationen) verarbeitet wird. Daraus folgt, daß Erkenntnis nicht allein...mit der Erfahrung anhebt, sondern auch, daß sie durchwegs aus dieser entspringt und sich aus ihr ableiten läßt."11
Schon hinter dieser Voraussetzung und jener dargestellten Erkenntnisaufbau steckt der Kern des Induktionsproblems, weil es bei seinem ersten Auftreten nicht als das Problem der Wissenschaftsmethode, sondern als das der Gewißheit der menschlichen Erkenntnis trat.
Die sogenannte Induktion läßt sich in der einfachsten Form als Schluß von den besonderen Urteilen auf das sie zusammenfassende allgemeine Urteil bezeichnen. Wir beobachten zunächst beliebige einzelne Tatsache, z.B. "dieser Schwan ist weiß", und wiederholt dieselbe oder ähnliche zahlreiche Tatsachen. Dann daraus schließn wir am Ende einen allgemeinen Satz: "alle Schwäne sind weiß".
Dieses induktive Verfahren spielt bereits in der empiristischen Erkenntnistheorie eine wichtige Rolle. Es ist nähmlich als ein Vorgang der Bildung der hauptsächlich die wissenschaftliche Erkenntnis zu sehen, die die höheren komplexen Vorstellungen konstruiert. Jede einfache Vorstellung, welche durch jede Wahrnehmung oder Eindruck veranlassen wird, entspricht jeder beobachteten Tatsache im induktiven Schluß, und aus ihrer Verbindung besteht eine komplexe Vorstellung, die dem allgemeinen Urteil entspricht. So läßt es sich zeigen, daß unter dem menschlichen Erkenntnisaufbau die Empiristen den wesentlich induktiven Aufbau verstehen.
Es handelt sich nun in den folgenden zwei Punkten um die Gewißheit der Erkenntnis. Erstens: theoretisch betrachtet, während jede einfache Vorstellung einem bestimmten wirklichen Gegenstand entspricht, gibt es nicht immer die einer komplexen Vorstellung entsprechende Wirklichkeit, so daß ihre Gewißheit nicht immer gewährleistet ist. Zweitens: logisch betrachtet, da kein allgemeiner Schluß, der im Hinblick auf seinen Umfang wesentlich unbeschränkt ist, sich aus Konjunktion endlicher singulärer Sätze allein richtig ableiten läßt--sonst muß man einen logischen Sprung wagen--, muß der induktive Schluß immer unvollständig bleiben; also ist die Gewißheit der durch ihn erworbenen allgemeinen Erkenntnis wieder nicht verbürgt.
Dennoch in der damaligen Wissenschaft und Philosophie, trotz dieser negativen Sachlagen, behielten viele Theoretiker bei, daß es ein Prinzip gebe, das die wissenschaftliche Erkenntnis absolut versichere: d.h., die Kausalität.
In der modernen Naturwissenschaften können die meisten Naturgesetze--wie z.B. das Fallgesetz Galileis, das Gravitationsgesetz Newtons--sich als die sogenannte 'Kausalgesetze' bezeichnen lassen, die die logische Gestalt von dem allgemeinen Konditionalsatz: (x)(Px->Qx) haben. Dies bedeutet: "Wenn für alle x x P ist, dann ist x Q". Da die wissenschaftlichen Naturgesetze oft zu den kausalen Prognosen verwendet werden13, handelt es sich dann immer darum, ob das durch Konjunktionen von Kausalgesetze und Randbedingungen deduktiv abgeleitete Ereignis notwendig auftrete.
Die Mehrzahl der Theoretiker glaubten aber, daß wegen der Kausalität bzw. des Kausalprinzips die Verbindung zwischen der Ursache und ihrer Wirkung allgemeingültig und notwendig sei, so daß das vorhergesagte Ereignis notwendig auftrete. Die Kausalität bedeutete für ihnen die Notwendigkeit.
Im allgemeinen bleibt der Terminus 'Kausalität' mehrdeutig; und zwar ist es nicht offenbar, welcher der Bedeutungen der Begriff 'Notwendigkeit' entspricht, wir sollen also den Begriff der Kausalität erläutern.
Wie Stegmüller darlegt, wenn man in Philosophie und Wissenschaft auf den Ausdruck 'Kausalität' stößt, dann herrscht hier eine terminologische Verwirrung von zwei Begriffen.13 Einerseits gibt es den Kausalbegriff als Typenbegriff, unter den sogar ganz verschiedenartige Kausalgesetze und alles mögliche fallen können; es handelt sich hier um keine konkrete Gültigkeit in bezug auf die Wirklichkeit, da er nur ein allgemeines Attribut darstellt, welches auf beliebig viele Gesetze zutreffen kann. Anderseits verstehen hingegen Philosophen darunter oft ein ganz bestimmtes Prinzip, d.h. dasjenige, das durch die Wendungen wie "jedes Ereignis hat eine Ursache" oder "alle Wirkungen sind verursacht" alltagssprachlich ausgedrückt werden kann. Es ist nämlich dasjenige Kausalprinzip, das immer einen bestimmten Inhalt hat, der entweder wahr oder falsch ist.
Aus dieser Bestimmung wird es sogleich verständlich, daß der Begriff der Notwendigkeit (und der allgemeinen Gültigkeit) dem letzteren zuzuschreiben ist. Also tritt das Induktionsproblem als Gewißheitsproblem dadurch auf, daß Hume die kausale Notwendigkeit abgelehnt hat. Wir sehen bald, daß die Ablehnung unweigerlich von der Humeschen Erkenntnistheorie kommen muß.
Alle Gegenstände menschlichen Denkens und Forschens lassen sich nach Hume naturgemäß in zwei grudsätzlich versciedene Arten gliedern, nämlich in 'Vorstellungsbeziehungen' und in 'Tatsachen'.14 Zu den ersteren gehören die intuitiven bzw. demonstrativen Erkenntnisse, wie Geometrie, Algebra und Arithmetik; sie sind deshalb von Sicherheit, weil sie sich nur auf Verhältnisse von Vorstellungen beziehen und mit dem Empirischen nichts zu tun haben. Sätze von dieser Art können durch bloße Denkoperationen entdeckt werden und dabei taucht somit kein Problem um ihre Gewißheit auf. Die Erkenntnisse von Tatsache, die zweite Gegenstände, werden demgegenüber nicht auf gleiche Weise gewährleistet, weil ihre Gewißheit nur soweit verbürgt werden kann, als sie sich auf das jeweils unmittelbar durch die Sinne gegebene Zeugnis stützen. Die aus Eindrücken stammenden einfachen Vorstellungen können daher wohl sicher sein; aber das Problem besteht vielmehr in der Gewißheit der komplexen Vorstellungen.
Unter den philosophischen Relationen, die die komplexen Vorstellungen von Tatsachen hervorrufen, nimmt nur die Kausalität eine Sonderstellung ein, weil sie sich als eine einzige Relation bezeichnen läßt, wodurch wir von einem Vorgang oder Ereignis aus auf ein nicht wahrgenommenes schließen. Es ist nämlich die Kausalität allein, die uns ermöglicht, Aussagen über den jenseits der Erfahrung liegenden Sachverhalt, d.h., die Prognose zu machen.
Zunächst kritisiert Hume die allgemeine Maxime in Philosophie, daß alles, was zu existieren anfängt, eine Ursache des Daseins haben müsse. Er leugnet die Möglichkeit, die Notwendigkeit der Ursache zu beweisen. Da die Vorstellung der Ursache von der der Wirkung ganz verschieden ist, kann die erstere von der eines Ereignisses einfach und widerspruchsfrei getrennt werden. Er stellt dann eine Frage: "Warum schließen wir, daß solche besondere Ursache solche besondere Wirkung haben müsse."15
Als Antwort darauf gibt Hume eine psychologische Deutung, nach der die Vorstellung der notwendigen Verbindung zwischen Ursache und Wirkung gerade aus Beobachtung der Wiederholung oder der Vielfalt ähnlicher Ereignisse stammt. Im Hinblick auf die Entstehung eines Ereignisses wird unser Geist nach der häufigen Wiederholung durch Gewohnheit so bestimmt, daß er an den Begleiter des Ereignisses denkt und diesem in starkem Licht seiner Beziehung mit jenem betrachtet. Es ist dieser Eindruck, der uns die Vorstellung der kausalen Notwendigkeit liefert. Darum ist es ganz unmöglich, die Notwendigkeit der Kausalzusammenhänge objektiv und a priori zu begründen. "Die Notwendigkeit oder Kraft, die Ursache und Wirkung verbindet, besteht in dem Hang des Geistes dazu, von einem zu anderen zu bewegen."16
Mit gegenwärtigen philosophischen Worten gesagt, lautet Humes Argument: da der Kausalzusammenhang synthetisch ist, kann er keinswegs die analytische Sicherheit besitzen, der allein der Begriff der Notwendigkeit zuzuschreiben ist. Das scheint für uns fast eine Tautologie zu sein. Doch impliziert sein Argument eine nie tautologische Behauptung, daß es keine Notwendigkeit außer der logischer gibt. Wie Stegmüller bemerkt: "Es gibt nach Hume nur eine Art von Notwendigkeit: die logische Notwendigkeit, also die Notwendigkeit logisch wahrer Sätze oder logischer Forgerungen"17 Humes Beitrag zur Philosophie besteht nun in seinem Nachweis der Unmöglichkeit der damaligen naiven Voraussetzung, daß außer der analytischen Verbindung es irgendeine synthetische und notwendige geben müsse.18
Die Humesche Skepsis war auf den erkenntnistheoretischen Gebiet beschränkt; in diesem Sinne war er kein radikaler Skeptiker. Trotzdem wird es ohne Zweifel nicht allein für die wissenschaftliche Erkenntnis, sondern auch für die menschliche Erkenntnis überhaupt ganz und gar zutreffen, wenn seine Ablehnung der objektiven Gewißheit synthetischer Erkenntnis und seine psychologische Auslegung darüber hinaus überhaupt haltbar sind. Denn sowohl die wissenschaftliche als auch die abergläubische Erkenntnisse würden dann lediglich Zusammenwürfelung verschiedener subjektiver Glauben ohne objektive Grundlage. Über diese pessimistische Sachlage spricht Russell:
Es ist also wichtig, innerhalb des Rahmens einer Philosophie, die ganz oder teilweise empirisch ist, irgendeine Antwort auf Hume zu entdecken. Wenn nicht, gibt es keinen intellektuellen Unterschied zwischen Vernünftigkeit und Verrücktheit. Der Wahnsinnige, der sich als ein verlorenes Ei glaubt, ist nur deswegen zu verdammen, weil er in der Minderheit steht, oder vielmehr..., weil die Regierung ihm nicht zustimmt. Das ist ein hoffnungsloser Gesichtspunkt, und wir bedürfen der Hoffnung, daß es irgendeinen Weg gebe, ihn zu vermeiden.19Hier tritt das Induktionsproblem als ein Rationalitätsproblem auf.
Aber wie gesehen, von vornherein, ist die empiristische Erkenntnistheorie mit diesem Problem behaftet. Es scheint also schwer, es zu lösen, ohne die empiritsischen Auffassungen über die menschlichen Erkenntnis und den Erfahrungsbegriff zu korrigieren oder vielmehr vollständig zu verwandeln. Jedoch ist es kaum möglich für die Empiristen, weil die neutrale Erfahrung als Quelle des Wissens die stillschweigende Voraussetzung ihrer theoretischen Untersuchng war. Also hat das Induktionsproblem die Empiristen dauernd bis am Anfang dieser Jahrhundert belästigt. Für sie sind das Lernen aus Erfahrung und das durch Induktion fast gleichbedeutend. Popper stellt diese Sachlage in einer eindrücksvollen Weise dar, wenn er über seine Äußerung an der Sitzung der Aristotelian Society im Jahre 1936 berichtet.
Nach dem Vortrag gab es eine Diskussion, und Ayer ermutigte mich zu sprechen. Ich sagte also zunächst, ich glaubte überhaupt nicht an die Induktion, obwohl ich an ein Lernen aus Erfahrung glaubte und an einen Empirismus ohne jene von Russell vorgeschlagenen Kantschen Grenzen. Diese Bemerkung, die ich in dem unsicheren Englisch, das mir zur Verfügung stand, so knapp und bündig wie möglich formulierte, wurde mit Wohlwollen von den Anwesenden aufgenommen, die sie anscheinend als einen Spaß auffaßten, lachten und klatscheten.20Die Anwesenden auffaßten die Bemerkung Poppers als einen Spaß eben deshalb, weil für sie ein Lernen aus Erfahrung ohne Induktion nichts anders als ein Selbstwiderspruch war.
Von der Russells Bemerkung und Poppers Bericht liegt es nahe, daß für die Empiristen das Induktionsproblem eben eine Antinomie ist, das sie nicht abweisen können, und zwar das sie aber auch nicht beantworten können.22 Die Auflösung des Induktionsproblems ist also nur für ein Philosoph möglich, der, wie Popper wohl die Rolle der Erfahrung in der Ausbildung der menschlichen Erkenntnis für wichtig hält, aber nie bloß ein Empirist--geschweige denn ein Positivist--ist und sich bemüht, die Grundlagen des Empirismus kritisch zu überprüfen.